Vision 2030
- Treibhausgasemissionen reduziert
- Mit Humusaufbau Bodenfruchtbarkeit gesteigert
- Biodiversität verbessert
…… ein hypothetischer Rückblick aus dem Jahre 2030
Seit 2023 wurden auf ca. 12.000 ha der landwirtschaftlichen Flächen (das sind fast 30% der bewirtschafteten Ackerflächen im Weserbergland) Maßnahmen ergriffen, die einen kontinuierlichen jährlichen Humusaufbau bewirkten. Der Aufbau einer biologischen Arbeitsweise mit Grünmulch und Mulchsaat wurde unterstützt und stabilisiert durch die Einbringung von Pflanzenkohlesubstraten, hergestellt aus kreiseigenem Grünschnitt. Immer mehr Landwirte stellen auf das neue System um, weg von chemischen Einsatzmitteln hin zu einer biologischen, natürlichen Bodenbearbeitung. Mit der Humusbildung werden 20% des bisherigen Treibhausgas- Ausstoßes (CO2eq) im Weserbergland kompensiert.
Eine große Pyrolyse-Anlage wurde gebaut, die aus den holzigen Anteilen des Grünschnittes, aus Waldrestholz und anderen unbehandelten Hölzern Pflanzenkohle herstellt. Diese wird mit den krautigen Anteilen des Grünschnittes zu Pflanzenkohlesubstrat (sogenannte Terra Preta) gemischt. Die Landkreise des Weserberglands haben ihre Aufgabe zur Daseinsvorsorge ihrer Bürger verstanden und geben dieses Material, hergestellt in einer kommunalen Genossenschaft, zum niedrigen Selbstkostenpreis an die regionalen Landwirte ab.
Zu Beginn herrschte bei den Landwirten Skepsis, ob sie mitmachen sollten. Gerade erst drohten durch die neue Nitratverordnung Einkommensverluste. Das Bild von der Landwirtschaft war bei vielen in der Öffentlichkeit negativ geprägt. Und dagegen sollte Terra Preta in einer regenerativen Landwirtschaft helfen?
Überzeugt haben dann die Versuchsfelder, auf denen schon in den ersten Jahren größere Erträge erwirtschaftet wurden, so konnten die Ertragsverluste der vom „Niedersächsischen Weg“ geforderten Flächeneinsätze überkompensiert werden. Und das nicht nur im Biolandbau sondern auch in der konventionellen Agrikultur.
Heute hat sich auf den Reformflächen ein Humusgehalt von mehr als 10 % herausgebildet, und die Erträge haben sich signifikant gesteigert. An den Gewässern wurden breite Randstreifen aus Bäumen und Sträuchern zur Biotopvernetzung angelegt. Gehölzstreifen, entlang der Höhenlinien, (Keylines) halten die Niederschläge fest.
Bei der Auswahl der Baumsorten achtete man auf Widerstandsfähigkeit gegen die zunehmenden Hitzesommer. Es wurden Obstbäume und Nussbäume gepflanzt, aber auch Bäume mit wertvollen Hölzern. Mit an die Geländeform angepassten Baumreihen werden die Niederschläge so beeinflusst, dass das Wasser in der Fläche verbleibt. (siehe Foto oben, sogen. Keyline-Verfahren).
Die landwirtschaftlichen Flächen, die nach dem Keyline-Verfahren mit Baumreihen bestückt wurden, kommen besser mit der großen Sommerhitze zurecht, in der kalten Jahreszeit bieten sie Schutz gegen Wind und Wassererosion (www.baumfeldwirtschaft.de), sie fördern die Biodiversität.
Besonders hinzuweisen ist auf die Verlebendigung der Böden: der intensive Humusaufbau führte zu einem gesunden Boden, die Pflanzenkohle bietet Mikroorganismen und den Mykorrhiza-Pilzen Wohnraum, speichert Wasser und Nährstoffe. Dadurch gelangen die Pflanzen besser an die Nährstoffe. Diese werden nicht, wie früher bei der chemischen Bodenzugabe zu einem großen Teil durch Regen ausgewaschen. Das Grundwasser ist auch in Bodennähe wieder sauber geworden.
Zu Anfang wurde darauf geachtet, mit den Baumreihen (Obstbäume, Nussbäume, Holznutzung) als Gewässerrandstreifen und an den Wegerändern zunächst wertvolle Biotope miteinander zu verbinden, so wie es 2020 im Umweltbericht zum RROP (regionales Raumordnungsprogramm) des Landkreises Hameln-Pyrmont vorgeschlagen wurde. Im zweiten Schritt folgten die anderen Flächen. Da sich sowohl der Ertrag als auch die Qualität der angebauten Feldfrüchte wesentlich verbessert haben, haben sich neue Marken gebildet: Weserbergland-Kartoffeln und Weserbergland-Gerste haben einen guten Ruf, zur besseren Vermarktung hat sich ein eigenes Weserbergland-Label gegründet.
Die Rentabilität der Agrikultur ist wieder gestiegen, so dass auch auf Höfen mit 20 Hektar Land und weniger, auskömmliche Erträge erzielt werden. Allmählich ändern sich dich die Strukturen von Großbetrieben wieder hin zu bäuerlichen Betrieben.
Das Bild zeigt beispielhaft die Permakultur-Farm von Bec Hellouin, gegründet 2006 von Perrine und Charles Herve-Gruyer
Mit dem Naturpark Weserbergland hat sich eine enge Kooperation entwickelt, einige neue Wanderrouten entlang der Randstreifen-Gehölze sind dazu gekommen, verbinden Deister, Süntel und Ith. Das Hotel- und Gaststättengewerbe profitiert davon. Auf dem Süntelner Hohenstein genießt man eine hervorragende Aussicht – eine große Erklärtafel erläutert die Komposition aus Baumreihen an den Gewässern und die z.T. in geschwungenen Formen angelegten Baumreihen entlang der Höhenlinien – die neugierig Gewordenen informieren sich im Humuszentrum des Landkreises mit angeschlossener Permakulturgärtnerei mit Forschungsstation und Tagungszentrum.
Hier nutzt man die Abwärme der Pyrolyseanlage, um ein großes Gewächshaus mit angeschlossenem grünem Klassenzimmer zu heizen. Nebendran steht ein kleines Hotel, das diese Räume an Wochenenden für Tagungen nutzt. Schulklassen können hier an Hochbeeten gärtnern mit der nebenan hergestellten Terra Preta und die erlebte Praxis in den angeschlossen Unterrichtsäumen theoretisch vertiefen. Draußen schließt sich eine Permakulturgärtnerei an – Vorbild waren die Gartenpioniere aus Bec Hellouin - das Element Pflanzenkohlesubstrat kam hier noch ergänzend hinzu.
Die Kombination der beiden Prinzipien Permakultur und Terra Preta führte zu hohen und qualitativ guten Erträgen durch die Verlebendigung des Bodens. Es wurde ein Humusaufbau von bis zu 20% erreicht. Alle Erwartungen an Qualität, Quantität und Biodiversität haben sich erfüllt, wurden teilweise übertroffen.
Im Winterhalbjahr gibt es regelmäßig Veranstaltungen, auf denen Landwirte und Erwerbsgärtner sich austauschen und fortbilden. Im Sommer werden die Besuchergruppen draußen zwischen den Beeten herumgeführt, zur intensiveren Erläuterung finden die Unterrichtsräume ebenfalls Verwendung.
In Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden sind in der Gärtnerei Arbeitsplätze für Menschen mit Handicap entstanden, angeleitet von Gärtnermeister*innen wird hier gepflanzt und geerntet.
In der angeschlossenen Gastronomie werden die Besucher mit leckeren Speisen verwöhnt, mit Gemüse, das direkt aus der Gärtnerei angeliefert wird. Müssen die Besucher sich erleichtern, suchen sie die Terra Preta Komposttoilette auf, hier wird Festes und Flüssiges getrennt, gesammelt, mit Holzkohle gemischt. Auf diese Art und Weise erfahren die Menschen das Schließen von Kreisläufen durch gelebte Praxis.
Angeschlossen ist ein Gemüseladen, die Besucher können sich hier mit Produkten der Farm versorgen, mit Gemüsen, Säften und Marmeladen und Eiern. Der Renner sind formschöne aus Weide geflochtenen Einkaufskörbe, die auch ans Fahrrad passen. Einige Reihen von Weiden sind an den Gehölzstreifen längs der Gewässer gepflanzt worden und werden als Kopfweiden regelmäßig geschnitten.
Zur Historie:
Am Anfang wurden von einer Karbonisierungsanlage in Norddeutschland mehrere hundert Tonnen Pflanzenkohlesubstrat ins Weserbergland gefahren. Einige konventionelle Landwirte und einige Biolandwirte probierten das Material mit der Unterstützung von Boden-Experten aus. Der Vorher-Nachher-Vergleich fiel positiv aus und so konnten nach und nach immer mehr Landwirte für Terra Preta gewonnen werden. Auch Stauden- und eine Blumengärtnereien haben sich angeschlossen.
Zum Erfolg beigetragen hat der Aufbau einer kommunalen Terra-Preta-Genossenschaft. An alle Mitglieder konnte damit das Pflanzenkohlesubstrat zu besonders günstigen Konditionen herausgegeben werden. Viele Landwirte und Gärtner sind beigetreten, aber auch einige Gala-Betriebe. Es wird Wert daraufgelegt, möglichst viel Pflanzenkohlesubstrat im Weserbergland regional unterzubringen. Die Investitionskosten der Karbonisierungsanlage wurden mit Fördermitteln von Bund und EU bezuschusst.
Heute kommt ein erklecklicher Anteil der Finanzen aus dem Verkauf von CO2-Zertifikaten, denn 1 kg Pflanzenkohle bindet ca. 2,6 kg CO2 – auch der Humusaufbau und der vermiedene Schlupf von Methan, Lachgas und CO2, der bei der alten Methode des monatelangen Kompostierens auftrat, werden hier verrechnet.
Immer mehr landwirtschaftlich genutzte Flächen sind dabei, vom CO2-Emittenden zu CO2-Senken zu werden, Firmen können ihren CO2-Ausstoß durch Zukauf von Zertifikaten d.h. Zahlungen an Landwirte kompensieren, die dann in einem kontrollierten Verfahren (Bodenproben auf GPS registrierten Flächen) CO2 reduzieren durch Humusaufbau auf ihren Feldern.
Rainer Sagawe,
Dr.-Ing. Stephan Martini,
Hameln, Nov. 2020